Bei Gesetzen wie dem Staatsschutzgesetz handelt es sich um komplexe Themen. Sind Sie für die verstärkte Anwendung der direkten Demokratie, sodass die Bevölkerung selbst über derartige Gesetze entscheidet?
Ich bin sehr für direkte Demokratie auf den unteren Ebenen. Das ist zwar ein großer Aufwand, aber da lohnt sich Mitbestimmung. Auf den höheren Ebenen haben wir immer das Risiko, dass in Wahrheit über etwas anderes abgestimmt wird. Wir haben in Österreich eine Volksbefragung gehabt über die Frage: Berufsheer oder Wehrpflichtigen-Heer. Ist da nicht in Wahrheit über den Zivildienst abgestimmt worden? Insofern bin ich ein Anhänger der repräsentativen Demokratie. Dafür sind Politiker da, dass sie schwierige Entscheidungen treffen.
Mein Ziel wäre ein Modell wie in der Schweiz. Der Vorgang sollte so sein, dass Bürger gemeinsam einen Gesetzestext entwickeln können, der dann vom Verfassungsgerichtshof auf Umsetzbarkeit geprüft wird. Dann kommt es zu einem Volksbegehren. Wenn dieses von 4% der Bürger unterstützt wird, muss das Parlament darüber beraten. Wenn das Parlament zustimmt, ist die Sache erledigt. Wenn es ablehnt, dann soll es zu einer Volksabstimmung kommen und das Ergebnis muss bindend sein.
Oft kommt das Argument, dass die Medien meinungsändernd eingreifen. Aber wir haben das bei der Frage der Wehrpflicht gesehen. Da war eine sehr starke Zeitung für das Berufsheer und die Bürger haben trotzdem anders abgestimmt. Ich glaube, man überschätzt die Einflussmöglichkeiten der Medien ein wenig.
Das ist eine Möglichkeit, aber auch ein schwieriges Thema, das Tür und Tor für Manipulation öffnet. Erinnern Sie sich, aus welchen Gründen die Bundesheer Abstimmung gemacht wurde? Es ging nicht um die Wehrpflicht, sondern um parteitaktische Erwägungen. Da bin ich sehr skeptisch. Ich bin absolut dafür, das Volk stärker einzubeziehen, aber dafür braucht man mündige Bürgerinnen und Bürger. Dazu muss man kritisches Denken forcieren - in der Schule als Unterrichtsfach einführen - und parallel dazu auf der Gemeindeebene beginnen, die Menschen stärker einzubeziehen. Man kann nicht von 0 auf 100 gehen, sondern muss das schrittweise aufbauen. Aber es soll sich da was bewegen.
Hundstorfer
In Österreich gibt es vier Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, direktdemokratisch mitzubestimmen: die Volksabstimmung, die Volksbefragung, das Volksbegehren und Petitionen. Diese wurden bereits in der Vergangenheit in unterschiedlicher Häufigkeit angewendet, um in schwierigen Fragen die richtige Lösung zu finden. Neben diesen institutionalisierten Mitbestimmungsmöglichkeiten dürfen wir jedoch einen der wichtigsten Grundsteine der Demokratie nicht vergessen: das individuelle Engagement jedes Einzelnen und jeder Einzelnen. Österreich zeichnet eine hohe Dichte an verschiedensten Organisationen aus, in denen ziviles Engagement tagtäglich gelebt wird. Es muss uns allen ein Anliegen sein, diese soziale, und somit auch politische, Beteiligung in unserem Land zu stärken und zu fördern.
Khol
Wenn sich das Volk in bestimmten Fragen, mit den richtigen Schranken und Bedingungen über den Nationalrat hinwegsetzen kann, dann ist das in manchen Situationen richtig und wichtig. Es weicht zwar das Prinzip der repräsentativen Demokratie auf, aber es ist dennoch in Ordnung, wenn es eine Volksabstimmung gibt, denn man kann dadurch Blockaden aufbrechen und dadurch ein außerordentliches Signal setzen. Natürlich kann das nicht ein Instrument für jeden Tag sein, wie es in der Schweiz gehandhabt wird, es ist ausschließlich ein Instrument für außerordentliche Situationen. Schon in den 1990er-Jahren habe ich ein Modell vorgeschlagen, wonach Volksbegehren, die eine bestimmte Unterschriftenanzahl erreichen, zu einer Volksabstimmung führen. Der Grund ist, dass damals die Situation war, als in der großen Koalition so gut wie nichts weitergegangen ist.