Rudolf Hundstorfer

Vom ehemaligen ÖGB - Präsidenten und Sozialminister Rudolf Hundstorfer bekamen wir Mitte März eine schriftliche Stellungnahme zu unseren Fragen zugesandt:


1. Was halten Sie für den wichtigsten Grund, warum junge ÖsterreicherInnen Sie wählen sollen?

Als Bundespräsident möchte ich mich besonders für den sozialen Zusammenhalt einsetzen und Brücken zwischen den Generationen bauen. Ich habe bereits als Sozialminister gezeigt, dass mir die Anliegen junger Menschen wichtig sind. Unter anderem haben wir 2009 die Ausbildungsgarantie umgesetzt, die schon mehr als 9000 Jugendliche in Anspruch genommen haben. Eine meiner letzten Amtshandlungen als Minister war es, die Ausbildungspflicht bis 18 auf den Weg zu bringen, damit alle jungen ÖsterreicherInnen die Chance auf einen fruchtbaren Bildungsweg erhalten.

2. Sind Sie für eine Reform des Bildungssystems? Wenn ja, welche Veränderungen sind Ihnen besonders wichtig?

In den letzten Jahren wurden wichtige Impulse in Richtung gerechteres und effizienteres Bildungssystem gesetzt, beispielsweise mit den Ausbau der Ganztags- und Gesamtschulformen oder dem Erfolgsprojekt Lehre mit Matura. Die Zukunft eines Landes liegt in den Händen ihrer Jugend und diese wiederum kann ihr volles Potenzial nur durch die richtige Ausbildung entfalten. Deswegen ist es wichtig, weiterhin für ein sozial faires Bildungssystem einzustehen, das die Menschen individuell fördert. Die soziale Herkunft darf bei der Qualität der Bildung keine Rolle spielen, weder in der Schule, noch in der Lehre und auch nicht auf den Universitäten.

3. Gibt es ein konkretes österreichisches Anliegen, wofür Sie sich in der EU oder international einsetzen würden?

Eines der dringlichsten Themen bei denen es eine gesamteuropäische bzw. internationale Lösung braucht ist sicherlich die Flüchtlingssituation. Es muss klar sein, dass ein paar europäische Länder, denen auch Österreich angehört, die auf uns zukommenden Herausforderungen nicht alleine bewältigen können. Das wichtigste ist, an einem Waffenstillstand in Syrien mitzuhelfen und dort mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Wir müssen auch über das UNO-Flüchtlingsnetzwerk versuchen, den Geflüchteten in Jordanien und im Libanon zu helfen.

4. Gerade in Fragen zu den aktuellen Flüchtlingsbewegungen kann man eine starke Polarisierung erkennen. Eine Aufgabe des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin ist laut der Internetseite der österreichischen Präsidentschaftskanzlei der Ausgleich zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen. Wie würden Sie im Hinblick auf dieses Thema an diese Aufgabe herangehen?

Vorne weg muss gesagt werden, dass die österreichische Bevölkerung und die Sicherheits- bzw. Einsatzkräfte im letzten Jahr eine herausragende Kraftleistung bei der Betreuung der Flüchtlinge erbracht haben. Jedoch ist auch klar, dass dieses Engagement nicht ins unendliche potenzierbar ist. Deswegen hat die Regierung mit dem Richtwert bei der Aufnahme ein wichtiges Signal nach Innen und Außen gesetzt. Als Bundespräsident würde ich mich für eine starke, tragfähige europäische Lösung für die Flüchtlingssituation einsetzen. Auf nationaler Ebene poche ich auf einen sachlichen Dialog in diesem Thema. Die Radikalität der heutzutage leider sehr beliebten populistischen Politik führt hier zu keinen Antworten. Es ist wichtig, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und diese nicht zum politischen Spielball verkommen zu lassen.

5. Eine weitere Aufgabe des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin ist die Einbeziehung von Minderheiten in den politischen Prozess. Gibt es Ihrer Meinung nach eine Minderheit in Österreich, die besonders wenig berücksichtigt wird?

Wie demokratisch ein Land bzw. ein politisches System ist kann immer daran gemessen werden, wie es mit den darin lebenden Minderheiten umgeht. Als Sozialdemokrat war es mir immer ein Anliegen, dass jeder Mensch in Österreich die gleichen Rechte hat. Auch als Bundespräsident möchte ich klar gegen Diskriminierung jeglicher Art auftreten und mich dafür einsetzen, dass Minderheiten die gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Prozessen haben.

6. Das neue Staatsschutzgesetz tritt im Juli 2016 in Kraft. Die Entscheidung, ob die Überwachung von Personen gerechtfertigt ist, unterliegt damit der Kontrolle eines Rechtschutzbeauftragten. Dieser wird von der Regierung vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin bestätigt. Halten Sie diese Kontrolle für ausreichend? Sollte sie besser einer/m RichterIn unterliegen?

Der Rechtsschutzbeauftragte ist dazu verpflichtet, auf Wunsch des geheimen Unterausschusses im Nationalrat hin, diesen Rede und Antwort stehen. Anders als bei einer rein richterlichen Kontrolle ist durch die gewählte Konstruktion eine nachträgliche parlamentarische Kontrolle möglich. Mit dem Einsetzen eines unabhängigen Rechtsschutzsenats im Innenministerium, dem mindestens ein Richter bzw. Staatsanwalt mit zehnjähriger Berufserfahrung angehören muss, ist auch die richterliche Kontrolle gestärkt.

7. Bei solchen Gesetzen handelt es sich um komplexe Themen. Sind Sie für die verstärkte Anwendung der direkten Demokratie, sodass die Bevölkerung selbst über derartige Gesetze entscheidet?

In Österreich gibt es vier Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, direktdemokratisch mitzubestimmen: die Volksabstimmung, die Volksbefragung, das Volksbegehren und Petitionen. Diese wurden bereits in der Vergangenheit in unterschiedlicher Häufigkeit angewendet, um in schwierigen Fragen die richtige Lösung zu finden. Neben diesen institutionalisierten Mitbestimmungsmöglichkeiten dürfen wir jedoch einen der wichtigsten Grundsteine der Demokratie nicht vergessen: das individuelle Engagement jedes Einzelnen und jeder Einzelnen. Österreich zeichnet eine hohe Dichte an verschiedensten Organisationen aus, in denen ziviles Engagement tagtäglich gelebt wird. Es muss uns allen ein Anliegen sein, diese soziale, und somit auch politische, Beteiligung in unserem Land zu stärken und zu fördern.

8. Was würden Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben?

Informiert euch, bleibt kritisch und packt mit an wo ihr könnt. Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben und für seine Rechte und Anliegen einzustehen. Und vergesst nicht: eine Gesellschaft ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Es ist richtig und wichtig, sich klar gegen Diskriminierung zu positionieren und gegen jene aufzustehen, die Menschen auseinander dividieren und Gräben in unser soziales Fundament graben wollen.

2016, Politik auf einen Blick, Wien
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